Irrungen Wirrungen Zusammenfassung

 
Theodor Fontane hat in seinem Gesellschaftsroman "Irrungen und Wirrungen", der Ende des 19.Jh. in Berlin spielt, die Problematik einer damals nicht geduldeten Beziehung zweier Menschen aus sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Ständen dargestellt.

Der Adlige Botho von Rienecker und die Schneidergesellin Magdalene, genannt Lene Nimptsch, die mit ihrer Pflegemutter im gemeinsamen Haushalt lebt, beginnen eine Beziehung, nachdem Botho zusammen mit einem Freund, Lene bei einer Segelpartie rettete, als ihr Boot zu kentern drohte
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. Schon auf dem ersten Nachhauseweg wird beiden klar, was sie füreinander empfinden. Im Wissen um die niemals legalisierbare Beziehung und nur unter Einbeziehung der Mutter und einer Nachbarin (Frau Dörr) treffen sich beide dennoch wochenlang heimlich.

Das Schicksal nimmt von dem Augenblick einen anderen Lauf, als Botho zu seinem Onkel, Baron von Osten, gerufen wird, um über die mögliche Heirat mit seiner Cousine, der Baronin Käthe von Sellenthin, zu sprechen. Käthe ihrerseits brächte mit ihrem ansehnlichen Vermögen wieder Geld in die leeren Rieneckerschen Kassen und nach zähem Ringen mit seiner Mutter willigt Botho schließlich in die Heirat mit Käthe ein.
Feige teilt er Lene das Ende von deren Beziehung brieflich mit. Diese reagiert im Bewusstsein ihrer nicht standesgemäßen Beziehung, in der sie nie Erwartungen hegte, verständnisvoll. Botho aber merkt bald, dass diese Zweckheirat ihn nicht zufriedenstellen kann, ihm keine Liebe ermöglicht.

Nach geraumer Zeit begegnet Lene Botho und Käthe zufällig auf der Straße und beschließt sofort aus dem für sie nun unerträglich gewordenen Stadtviertel wegzuziehen. In ihrem neuen Wohnbezirk lernt sie Gideon Franke kennen, einen Fabrikmeister, der auch bald Lene einen Heiratsantrag macht. Daraufhin erzählt ihm Lene von Botho und ihrer Liebe. Gideon will dennoch heiraten, beschließt aber Botho aufzusuchen, um sich die Ereignisse, die ihm Lene offenbart hatte, von Botho bestätigen zu lassen. Botho erfährt in diesem Gespräch u.a. vom Tod von Lenes Mutter. Er beschließt auf dem Friedhof Blumen am Grabe Frau Nimptschs niederzulegen, verbrennt Lenes Briefe, doch er schafft es nicht, sich innerlich aus dieser Beziehung endgültig zu verabschieden.
Als er dann auch noch die Hochzeitsanzeige von Gideon und Lene zu Gesicht bekommt, bleibt ihm nur noch ein sarkastischer Kommentar mit dem Inhalt, dass Gideon wohl besser als er selber sei. Lene trägt bei der Hochzeit keinen Hochzeitskranz, ein zu damaliger Zeit übliches Zeichen für Jungfräulichkeit. Dass dies zu spöttischen Kommentaren Anlass gibt, ist im Zusammenhang selbstredend.

Diese fast harmlose Ende zeigt dennoch in dem von Fontane in seinem Stil des bürgerlichen Realismus konzipierten Roman die Kernproblematik gezielt auf: eine nicht standesgemäße Beziehung, ja noch mehr, Liebe, kann in einer Gesellschaft, die voller Regeln und Konventionen steckt, keine Chance haben. Noch ist die Zeit nicht reif dazu, diese Normen zu durchbrechen. Die Vernunft, die der Adel hier an den Tag legt, ist bedingt, durch den wirtschaftlichen Niedergang dieses Standes, in einer Zeit, in der sich Gesellschaft erheblich verändert. Beide Beziehungspartner wissen, dass ihre Liebe niemals so stark ist, wie sie sein müsste, um gesellschaftliche Schranken zu durchbrechen. Heute scheint es fast eine Selbstverständlichkeit zu sein, wie es z.B. ein Blick ins schwedische und englische Königshaus preisgibt! Damals aber, in der Zeit um die Jahrhundertwende, war das Denken der Menschen noch nicht so weit, einzusehen, dass eine lebenslange Beziehung anderen Gesetzen unterworfen ist als denen des absoluten Gehorsams und der Vernunft.

Fontanes Begriff des bürgerlichen Realismus ist einer, der nach dem Selbstverständnis des Autors mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die Menschen schaut, auf ihre Verhaltensweisen und Regeln. Bürgerlich ist er deshalb, weil er die aufstrebenden Bemühungen des Bürgertums in den Fokus rückt, nicht ohne dabei zu bemerken, dass gerade sie sich Regeln geben, die der absteigende Stand des Adels zu seinen Normen gemacht hatte. Das Bürgertum selbst glaubte die sozialen Defizite durch das Nachahmen eines nicht mehr zeitgemäßen Verhaltens zu kompensieren. Wenn auch hier keine Erwartungen von Lene Nimptsch formuliert werden und Fontane dies in anderen Stücken (Effi Briest) viel deutlicher tut, kritisiert er dennoch die fehlende Kraft und die fehlenden Alternativen, die das Bürgertum seiner Zeit zu bieten hat.

Mit dem bürgerlichen Realismus hat Fontane sich selbst ein theoretisches Gerüst gegeben, mit dem er bewusst akzentuierte Gegensätze zu den Vertretern des Naturalismus (Hauptmann) und des Existenzialismus schafft und seinen Stil einer humorvollen und dennoch traurigen Darstellung der gesellschaftlichen Verhältnisse um die Jahrhundertwende kreiert. Das Thema standesübergreifender Liebe ist dabei nicht neu, sondern bereits seit dem 18. Jh. in der Literatur (bürgerliches Trauerspiel) vertreten.

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